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Expertengremium übt Kritik an Wirtschaftsminister Habeck Forscher warnen vor Vertrauensverlust in die deutsche Klimapolitik

Der Regierung fehlt eine langfristige Klimastrategie, kritisieren renommierte Klimawissenschaftler, darunter Ottmar Edenhofer. Nötig sei eine Diskussion über neue Technologien wie die CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre.
Robert Habeck (M.) in Sachsen-Anhalt: Experten kritisieren nahezu wirkungslose Sofortprogramme

Robert Habeck (M.) in Sachsen-Anhalt: Experten kritisieren nahezu wirkungslose Sofortprogramme

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa

Der Klimapolitik der Ampelregierung weist große Lücken auf. Zu diesem Ergebnis kommen renommierte Forscherinnen und Forscher in einer Stellungnahme, die am Montag dem Bundeswirtschaftsministerium übergeben wird. Demnach fehle es an nötigen Strategien, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt. »Auf dem steinigen Weg in Richtung Klimaneutralität ist Deutschland gerade orientierungslos«, mahnt Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende der Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) . Die Folge sei ein drohender Vertrauensverlust von Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft in die deutsche Klimapolitik.

Der Verkehrssektor reißt regelmäßig seine jährlichen Klimaziele: Klimaforscher fordern ein härteres Durchgreifen

Der Verkehrssektor reißt regelmäßig seine jährlichen Klimaziele: Klimaforscher fordern ein härteres Durchgreifen

Foto: Silas Stein/DPA

Die Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) ist ein Beratergremium der Bundesregierung. Sie wurde 2019 von der Großen Koalition eingesetzt, als diese das Klimaschutzgesetz verabschiedete. Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung beim Erreichen der Klimaziele von Forschenden beraten werden soll. Der Plattform gehören so renommierte Klimaforscher wie Ottmar Edenhofer vom Berliner Mercator Institut an, Sabine Schlacke, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) oder Felix Matthes vom Öko-Institut.

Die Wissenschaftler fühlen sich von der Regierung nicht gehört. Seit dem Regierungsantritt der Ampel habe der Klimaschutz immer wieder das Nachsehen aufgrund von Krisen wie dem russischen Angriffskrieg oder der Pandemie. Eine Ausrede dürfe das jedoch nicht sein: »Auch unter Stressbedingungen müssen die Klimaziele und andere Nachhaltigkeitsziele weiterverfolgt werden«, erklärt Holger Hanselka, Co-Vorsitzender der Plattform.

Neue Technologien offen diskutieren und mehr Mitsprache

Die Ampel habe keine Strategie, wie die Klimaziele erreicht werden sollen. Schon jetzt würden die jährlichen Sektorziele etwa bei Verkehr und Gebäuden überschritten, auch Sofortprogramme blieben weitgehend wirkungslos. Es müssten aber unmittelbar die notwendigen Schritte eingeleitet werden, um die Klimaziele bis 2030 und 2045 sowie darüber hinaus einhalten zu können, schreiben die Forscher. Sie fordern mehr soziale Gerechtigkeit bei der Umsetzung von Klimaschutz, eine vorausschauende Industriepolitik und eine Diskussion über neue Technologien wie die CO2-Entnahme  aus der Atmosphäre.

So sollten laut den Wissenschaftlern etwa der »CO2-Entnahme- und Speicherbedarf, die dafür vorgesehenen Entnahmeoptionen (…) deutlich spezifiziert werden«. Außerdem müsse der rechtliche Rahmen angepasst werden, damit solche Technologien überhaupt erforscht und genutzt werden könnten, heißt es in dem Papier. Es sei damit zu rechnen, dass die unterirdischen Speicher und die Kosten für den CO2-Transport eine Zeit lang knapp würden. Diese Technologien seien zudem teuer, also müsste für die »Nutzung der Atmosphäre« ein Preis bezahlt werden und die Entnahme subventioniert werden.

Die Forscher möchten zudem die Bevölkerung bei Klimaentscheidungen mehr einbinden. Ein Weg seien etwa Bürgerräte, die bestimmte Klimamaßnahmen bewerten. Das könnte auch die Akzeptanz von repräsentativen Gremien  stärken, so die Autoren der Stellungnahme.

Zudem fordern die Wissenschaftler auch für sich mehr Mitsprache. Solche grundlegende Fragen der Klimapolitik »sollten mit einem starken Mandat ausgestattet und einem wissenschaftlichen Politikberatungsgremium übertragen werden«, heißt es in dem Papier. Die Wissenschaft sei bereit, die bestehenden Lücken zu schließen.